15.06.2015 "Was Manager von Bergsteigern lernen können" - Interview mit Stephan Siegrist
Herr Siegrist, was macht für Sie die “Faszination Berg” aus?
Es sind unbeschreiblich schöne Naturschauspiele die mich immer wieder faszinieren in den Bergen. Natürlich auch die Lust, mit Freunden unterwegs zu sein und gemeinsames Abenteuer an ästhetisch schönen Bergen, weit ab von der Zivilisation, zu erleben.
Sie haben auf allen sieben Kontinenten der Welt Berge erstbestiegen. Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis?
Rein landschaftlich war für mich Queen-Maudland in der Antarktis das grossartigste. Hundertausende Quadratkilometer flaches Eis, und wie aus dem nichts schiessen bis zu 1000 Meter hohe Granitwände in einem teilweise rechten Winkel aus dem Boden. Einfach surreal. Sportlich war es die Erstbegehung der Arwa-Tower Nordwand im indischen Himalaya. Zwölf Tage verharrten wir in der Wand. Schlechtes Wetter, Krankheit und klettertechnisch anspruchsvolles Gelände machten uns zu schaffen. Schliesslich erreichten wir doch noch den Gipfel. Und für mich beeindruckend – aber vor allem schön: Ich bin in den 20 Jahren die ich auf Expeditionen reise immer mit guten Freunden nach Hause gekehrt, und nicht mit Feinden!
Eine Erstbesteigung ist ein gefährliches Unterfangen. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Expeditionen vor?
Es mag vielleicht mit mehr Risiko verbunden sein, doch eine Erstbegehung ist spannend und abenteuerlich. Das wir uns physisch und mental vor einer Expedition gut vorbereiten müssen leuchtet ein. Das aber eine minutiöse Vorbereitung bereits zu Hause beginnt, vergisst man gerne. Es braucht viele administrative Arbeiten, Recherchen und langfristige Planung bis man überhaupt zu einer Expedition starten kann. Nur wer gut vorbereitet in punkto Versorgung, Material, Team und körperlicher Verfassung im Basislager ankommt hat eine gute Grundlage um eine Erstbesteigung erfolgreich umzusetzen. Am Ausgangsort selber ist ständiges Beobachten des angestrebten Zieles wichtig. Was verändert sich bezüglich den Wandverhältnissen. Wann darf man wo nicht sein (Stein und Eisschlag)? Wie kann das Projekt mit möglichst geringem Risiko geklettert werden? Was an Material muss in die Wand mit. Wann und wie wird die Erstbegehung angegangen. Taktik und Logistik wird sehr entscheidend.
Was sind für Sie die wichtigsten Tugenden als Alpinist?
Freude und Respekt vor der Natur sowie die Fähigkeit und der Willen, sich in die örtliche Kultur einzuleben. Guter Teamgeist und viel Freude an dem was man macht. Mental und physisch belastbar und in schwierigen Situationen die Ruhe bewahren können. Vernetzt denken und Taktisch klug handeln.
Herr Siegrist, in Ihren Vorträgen zeigen Sie Parallelen zwischen dem Bergsteigen und der Unternehmenswelt auf. Was können Manager und Unternehmen von Extremsportlern lernen?
Visionen und Ideen erfolgreich umsetzen bedeutet, geschickte Strategie und Planung um das vorhandene Potential auszuschöpfen und ein Ziel zu erreichen. Engagement und Aktivität bringen die Träume auf den Weg. Ausdauer und Selbstvertrauen lassen selbst aus „Niederlagen“ Kraft schöpfen. Und manchmal ist es sogar nötig, umkehren zu können.
Manager und Bergsteiger haben viele Parallelen. Die meisten erkennen sich selber wieder in einem der Vorträge.
Es geht unter anderem auch um:
- Visionen haben und realisieren
- Leidenschaft im Leadership: ein Team bilden und zusammenhalten
- Die Fähigkeit, sich auf ein Ziel zu fokussieren
- Das richtige Risikomanagement
- Mentale Stärke
- Die Entdeckung neuer Wege auch durch Misserfolge
- Und schließlich die Erkenntnis, dass wir uns die meisten Grenzen selbst setzen.
Vielen Dank für das Gespräch!
